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Sozialer Stress und Seelenschmerz

Veröffentlicht am 06.01.2025

Logo zum Thema Einsamkeit des Bezirksamts Reinickendorf

Am 16. Dezember 2024 fand in Reinickendorf der zweite Einsamkeitsgipfel statt. Unsere ehrenamtliche Redakteurin Eveline Harder war vor Ort und hat ihre Eindrücke für uns festgehalten.

von Eveline Harder, ehrenamtliche Redakteurin des Landesnetzwerks Bürgerengagement Berlin e.V.

Nach einer kurzen Begrüßung durch die Reinickendorfer Bürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner trug die Verbindungskünstlerin JESSY James LaFleur ein eindrucksvolles Gedicht über Einsamkeit vor. Eine sehr schöne Einführung in das Thema. Es wäre schön gewesen, dieses Gedicht im Anschluss an die Veranstaltung den Teilnehmer:innen zur Verfügung zu stellen. Die Bürgermeisterin berichtete dann über die aktuelle Situation in Sachen Einsamkeit in ihrem Bezirk. Fünf Quasselbänke wurden aufgestellt, 100 Orte aufgelistet, wo Gemeinschaft gefunden werden kann, Stammtische eingerichtet und hellgrün leuchtende Sticker angefertigt. 2025 wird der Atlas in digitaler Form fertiggestellt sein. Die Zielgruppen sind junge Menschen, die von Einsamkeit betroffen sind. Eine Schulklasse nahm an der Veranstaltung teil.

Impulsvortrag von Professsor Dr. Mazda Adli, Charité Berlin, „Einsamkeit – Wissenswertes über einen besonderen Seelenschmerz“. Einsamkeit ist eine Epidemie im Verborgenen, wobei es belastende und schöpferische Einsamkeit gibt. Einsamkeit ist sozialer Stress und in der Forschung der stärkste Stressor den es gibt. Die mangelnde Unterstützung von anderen hat Auswirkungen auf das Immunsystem, Herzkrankheiten entstehen. Einsamkeit ist schwieriger als Rauchen und Alkoholabusus.

Professor Adli berichtete über die Loneless Reduction Strategy im Vereinigten Königreich von 2018 und die dortige Einrichtung eines Einsamkeitsministeriums. Einsamkeit ist sozialer Stress und das Fehlen von seelischer Nähe. In der Bundesrepublik gibt es ca. 16 Millionen Einzelhaushalte zurzeit, in Berlin 1,1 Millionen (2019). Sieben Prozent der Deutschen werden nach einer repräsentativen Umfrage Weihnachten allein zu Hause gewesen sein. Von den über 65-Jährigen verbringen sogar elf Prozent das Fest der Liebe ohne Angehörige und Freunde. Professor Adli arbeitetet an dem Projekt „Deine emotionale Stadt“ mit. Ein gemeinsames Projekt von Interdisziplinäres Forum Neurourbanistik e.V., Charité Universitätsmedizin Berlin, Humboldt Universität zu Berlin und Futurium Haus der Zukünfte.

Er schloss mit dem Gedicht von Erich Kästner „Kleines Solo“ (erster Teil):

Einsam bist du sehr alleine.
Aus der Wanduhr tropft die Zeit.
Stehst am Fenster. Starrst auf Steine.
Träumst von Liebe. Glaubst an keine.
Kennst das Leben.
Weißt Bescheid.
Einsam bist du sehr alleine und am
Schlimmsten ist die Einsamkeit zu zweit.

Die Bürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner und die Einsamkeitsbeauftragte Katharina Schulz.
Bürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner und die Einsamkeitsbeauftragte Katharina Schulz
Drei Frauen mittleren Alters sitzen in einem Meetingraum und nehmen an einer Arbeitsgruppe teil.
Arbeitsgruppe „Einsamkeitsprävention“ mit Meltem Başkaya
Eine PowerPoint-Folie mit einer Übersicht zu häufig nachgefragten Angeboten und neuen Initiativen, begleitet von Logos einschlägiger Organisationen. Unter den häufig nachgefragten Angeboten werden Besuchsdienste, telefonische Angebote, Mobilitätshilfedienste, digitale Hilfen und Begegnungsstätten aufgeführt. Neue Angebote umfassen das Digital-Zebra, das Infotelefon von Silbernetz e.V. sowie neue Wohnformen von Sonay e.V.
Fotos: Eveline Harder

Dann folgte der Impulsvortrag von Stefanie Wind, Sprecherin der bezirklichen AG Einsamkeit-Exit, „Einsamkeit begegnen – Gemeinschaft gestalten“. Einsamkeit ist ein Schmerz und ein nützliches Symptom mit Alarmzeichen. Sie zeigte dann an Hand von Beispielen die verschiedenen Einsamkeitsgruppen auf und schlug vor, die Pflege anders zu gestalten.

Es ging dann zur Arbeitsgruppe 2 „Einsamkeitsprävention“ mit Meltem Başkaya. Zunächst berichteten zwei Mitarbeiter der Malteser über das Projekt „Hausbesuche“. Hier werden den 70-, 75-, 80-, 85-Jährigen im Bezirk Reinickendorf kostenfreies Informationsmaterial und ein Hausbesuch angeboten. Das Projekt ähnelt den Sozialkommissionen Berlin. Die Sozialkommissionen gehören zu den Schwerpunkten der ehrenamtlichen Arbeiten im sozialen Bereich in den Bezirken. Es folgte eine anregende Diskussion, in der viele Vorschläge gemacht wurden (Plauderkassen, Briefe in einfacher Sprache u. a.).

Nach der Mittagspause wurden die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen vorgestellt, Moderation Katharina Schulz, Einsamkeitsbeauftrage des Bezirks. Die Bürgermeisterin hielt das Schlusswort und führte aus, dass das Thema Einsamkeit ihr sehr am Herzen liege und der Bezirk Reinickendorf auf einem guten Weg sei. Der 16. Dezember eines jeden Jahres wurde zum Einsamkeitstag in Reinickendorf erklärt.

Dieser Beitrag wurde von Eveline Harder aus unserer AG Redaktionsteam verfasst – herzlichen Dank dafür!

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