Veröffentlicht am 25.03.2024
Coronaproteste, Klimaproteste, Bauernproteste – gefühlt wird so viel protestiert wie noch nie zuvor. Aber warum ist das so? Was sagt die Protestforschung dazu? Und wo sieht sie Überschneidungen mit der Zivilgesellschaft?
von Marc David Ludwig, ehrenamtlicher Redakteur des Landesnetzwerks Bürgerengagement Berlin e.V.
Im Institut für Protest- und Bewegungsforschung (ipb) beschäftigen sich über 200 Forschende mit diesen Entwicklungen. Getragen wird das Institut von einem Verein, der 2012 gegründet wurde und die Arbeit in Arbeitskreisen, Tagungen und Projekten organisiert. In Interviews und Auftritten in der Medienberichterstattung verbreiten die Mitglieder ihr Wissen zu Protest und seinen Dynamiken.
Hierzu Dr. Simon Teune (Gründungsmitglied des ipb): „Protest hebt sich von anderen Formen des Engagements ab, weil es darum geht, die politischen Rahmenbedingungen von sozialen Missständen anzugehen und dabei die Verantwortlichen zu konfrontieren. Proteste sind Engagementformen, die Konflikte sichtbar machen und forcieren.“
Da die Grundlogiken von Engagement und Protest sowie die Selbstverständnisse verschieden sind, gibt es bisher wenig integrierte Forschung zu Protest und Engagement. „Es wäre spannend, sich das Verbindende anzuschauen. Was sind gemeinsame Herausforderungen, z.B. in den Rahmenbedingungen oder in der nachlassenden Bereitschaft, sich längerfristig an eine Organisation zu binden? Oder auch: Wie ergänzen sich politisches und soziales Engagement in einzelnen Feldern? Wo geraten sie in Konflikt?“, sagt Dr. Simon Teune.
Bislang gibt es erst wenige Befragungen zivilgesellschaftlicher Organisationen, in denen Protest als Thema vorkommt. Das ipb hat 2021 eine Studie durchgeführt, in der erfragt wurde, wie es Organisationen nach Corona geht. Es werden Working Paper veröffentlicht und in einer jährlichen Tagung kommen Wissenschaftler:innen zusammen und tauschen sich aus.
Das Besondere an Protesten: Sie entwickeln sich wellenförmig. Das spiegelt sich in der Forschung wider. Es gibt den Wunsch, immer zu den aktuellen Protesten zu forschen. Dabei zeigt sich, dass Proteste sehr unterschiedlich wahrgenommen werden.
Proteste der Klimabewegung – insbesondere der zivile Ungehorsam vom Schulstreik der Fridays for Future bis zu den Straßenblockaden der Letzten Generation – wurden von Teilen der Politik und in den Medien verurteilt, als unverschämt und kriminell eingeschätzt. Gleichzeitig gab es von den gleichen Akteuren großes Wohlwollen für die Blockaden der Bauern und Ihnen wurde ein berechtigtes Interesse zugestanden.
Wenn es als „störend“ wahrgenommen wird, Abläufe zu unterbrechen, um gesellschaftliche Bedingungen infrage zu stellen, besteht die Gefahr, dass das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit eingeschränkt wird. Clemens Arzt, emeritierter Professor für öffentliches Recht und im ipb engagiert, beschreibt, dass die Versammlungsbehörden nach den Corona-bedingten Einschränkungen schneller Versammlungen verbieten oder durch Auflagen einschränken.
Shrinking Spaces (eingeschränkte Handlungsspielräume) zu Klimaprotesten sind festzustellen, was Dachorganisationen herausfordert, sich mit juristischen Einschränkungen zu beschäftigen. Und dass, obwohl die Gemeinsamkeit zivilgesellschaftlichen Engagements doch darin besteht, das Leben besser zu gestalten.
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