Veröffentlicht am 17.05.2021
Herr Schlömer, Sie haben sich im Ausschuss für bürgerschaftliches Engagement und Partizipation für eine Berliner Engagementstrategie eingesetzt. Wozu braucht unsere Stadt eine solche Strategie?
Foto: Ben de Biel
Das Ehrenamt ist einer der Grundpfeiler mündiger Bürgerinnen und Bürger in Berlin. Allein in unserer Stadt engagieren sich über 800.000 Menschen uneigennützig in einer bunten Palette von Gesellschaften, kulturellen, sportlichen oder sozialen Aufgaben. Selbst die Arbeit politischer Parteien wäre ohne zivilgesellschaftliches Engagement im Ehrenamt nicht vorstellbar. Und damit ist das Ehrenamt auch der Schlüssel zu einer lebendigen, vielfältigen und selbstbestimmten Bürger-Gesellschaft und unverzichtbar für den Zusammenhalt und das soziale Gefüge unserer Stadt. Ohne Engagement keine robuste liberale Demokratie!
Das bürgerschaftliche Engagement ist aber auch kein Selbstläufer, sondern es braucht Unterstützung und Anerkennung und Wertschätzung durch Politik und Verwaltung – einfach Rückendeckung durch uns. Eine Engagementstrategie verschafft hier Klarheit und Transparenz und ist deshalb unverzichtbar.
Was halten Sie für besonders gelungen an der Engagementstrategie und wo sehen Sie derzeit den größten Handlungsbedarf bei ihrer Umsetzung?
Ich möchte nichts wirklich hervorheben, zumal in unterschiedlichen Foren und Arbeitskreisen viele Wochen und Monate daran gearbeitet wurde. Das, was jetzt Eingang gefunden hat, ist gleichgewichtig bedeutsam. Wenn ich aber Prioritäten nennen soll, dann ist es die Digitalisierung. Wir müssen das Engagement zukunftsfest machen. Digitalisierung muss ein obligatorischer Bestandteil einer landesweiten Engagementstrategie sein. Hier habe ich ja auch einen Antrag in das AGH eingebracht, der dann auch angenommen wurde. Digitalisierung bedeutet, neue Chancen für Mitverantwortung und Teilhabe zu schaffen, Inklusion zu realisieren oder neue Kanäle für neue Zielgruppen aufzubauen. Man hat fast unendliche Möglichkeiten.
In der Strategie wird empfohlen, das Landesnetzwerk Bürgerengagement Berlin zu fördern. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein solche Förderung aussehen?
Wie schon gesagt, es geht mir in meiner politischen Arbeit um Unterstützung, Wertschätzung und auch Förderung von Vernetzung in der bürgerschaftlichen Mitverantwortung. Das Landesnetzwerk leistet hier schon großartige Arbeit und wird von allen Seiten dafür gelobt. Das muss auch hinreichend anerkannt werden. Wir haben in der FDP-Fraktion die unterschiedlichen Engagementfelder immer gerne unterstützt und das wird auch so bleiben.
Wie schätzen Sie die Bedeutung des Landesnetzwerks Bürgerengagement für die Aktivierung der Zivilgesellschaft und für die Stärkung der Demokratie ein?
Ehrenamtliche Aktivitäten und bürgerschaftliches Engagement sind ein zentrales Zeugnis zivilgesellschaftlicher Verantwortung in liberalen Gesellschaften. Ehrenamtliche Engagierte tragen entscheidend zum gesellschaftlichen Gemeinwohl bei und übernehmen vielfältige Aufgaben, die sich Staat und Unternehmen nicht leisten können, wollen, sollen oder dürfen.
Was mich persönlich außerordentlich beeindruckt und hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lässt, ist der Umstand, dass das Landesnetzwerk Bürgerengagement – im Übrigen meines Wissens ohne staatliche Unterstützung gegründet – die häufig unterschätzte Zusammenführung von Akteuren aus den unterschiedlichsten Engagementfeldern übernimmt. Das Landesnetzwerk Bürgerengagement hat gemerkt, welche immensen Synergie-Effekte sich aus der besseren Vernetzung und Kommunikation der großen Bandbreite verschiedenster Vereine und Organisation ziehen lassen und fungiert hier an der Schnittstelle zwischen Organisation, Kommunikation und Wissensvermittlung. Denn gerade die fachliche Weiterbildung, die interne und strukturelle Modernisierung, aber auch mein Lieblingsthema Digitalisierung sind kosten- und zeitintensive Unterfangen, die besonders kleinere Vereine und Einrichtungen häufig vor immense Probleme stellen. Dass hier ein Netzwerk besteht, welches unter fachlicher Betreuung und Anleitung erlaubt, gemeinsame Fortschritte mit immensen positiven Konsequenzen zu unternehmen, stimmt mich außerordentlich positiv und Ihnen gegenüber dankbar.
Berlin ist Europäische Freiwilligenhauptstadt 2021. Was sollte Ihrer Meinung nach in diesem Jahr geschehen, um diesem Titel gerecht zu werden?
Dass Berlin ausgerechnet im Jahr 2021 als Europäische Freiwilligenhauptstadt auf Barcelona, London, und Lissabon folgt, ist eine schöne Anerkennung. Das vielfältige Engagement der Berlinerinnen und Berliner rückt nunmehr auch international in den Mittelpunkt des Geschehens und fördert die gelebte Mitverantwortung in der Stadt in Richtung einer ganz neuen Wahrnehmung. Das kann auch die jetzige Pandemie nicht verhindern.
Die Pandemie öffnet sogar neue Pforten und neue Chancen. Angesichts der aktuell schwierigen Rahmenbedingungen möchte ich aber bescheiden bleiben: Ich wünsche mir einfach wieder mehr direkte Kontakte, unmittelbaren Austausch und sichtbare Vernetzung. Ich wünsche mir und uns wieder mehr Freiheit. Darum mache ich Politik: für Freiheit und Bürgerrechte.
In welchen Bereichen engagieren Sie sich selbst bürgerschaftlich?
Ich war seit meinem 8. Lebensjahr eigentlich ununterbrochen ehrenamtlich aktiv. Erst als Messdiener und später als Jugendgruppenleiter meiner katholischen Gemeinde, im Stadtjugendring meiner Heimatstadt, später in der studentischen Selbstverwaltung oder im zivilgesellschaftlichen Engagement bei der Korruptionsbekämpfung. Dann kam mein umfassendes politisches ehrenamtliches Engagement bei den Piraten und der FDP dazu. Ich engagiere mich aktuell uneigennützig auch noch bei LOAD, dem Verein für liberale Netzpolitik. Mehr geht gerade nicht, aber dabei bin ich irgendwie immer.
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