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„Lasst uns gemeinsam laut werden“

Veröffentlicht am 02.09.2024

Die Geschäftsführerin des Landesnetzwerks Bürgerengagements Berlin, Gabriele Stilla-Bowman, mit kurzen grauen Haaren und Brille, trägt einen schwarzen Blazer, hält ein Mikrofon in der Hand und lächelt während einer Veranstaltung.
Foto: Patricia Kalisch

Seit einem Jahr führt Gabriele Stilla-Bowman die Koordinationsstelle des Landesnetzwerks Bürgerengagements Berlin e.V. Wir haben die Gelegenheit genutzt, zum Start unserer Social Media-Kampagne mit ihr zu sprechen und uns über die Bedeutung des Mottos „Engagiert für Zusammenhalt und Demokratie“ auszutauschen.

Dabei haben wir sie gefragt, was ihre Highlights in den vergangenen zwölf Monaten als Geschäftsführerin waren und welche Maßnahmen wir alle ergreifen können, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Außerdem hat sie uns verraten, warum sie jedes Jahr aufs Neue um zwei Uhr nachts die Straße fegt – und warum sie dies immer wieder tun würde.

Heute startet unsere Social Media-Kampagne „Engagiert für Zusammenhalt und Demokratie“, die den gesamten September über laufen wird. Welche Bedeutung hat dieses Motto für dich?

Das Motto vereint drei große Worte: Engagement, Zusammenhalt und Demokratie. Diese Worte dienen uns im Landesnetzwerk als Leitsterne für unsere Arbeit. Demokratie muss man nicht nur verteidigen, sondern stetig weiterentwickeln und mit Leben füllen. Und da kommt Zusammenhalt und Engagement ins Spiel. Gesellschaftlicher Zusammenhalt stellt sich nicht automatisch ein, nur weil wir in einer freien Gesellschaft leben, die Meinungsfreiheit garantiert. Er wird durch unser soziales Miteinander geformt, und genau an dieser Stelle beobachte ich eine besorgniserregende Entfremdung.

Weltweit sehen wir, wie der Reichtum sich immer mehr bei wenigen Menschen konzentriert, während viele andere zunehmend verarmen. Die soziale Ungleichheit wächst. Auch in Berlin wird dies deutlich: Wir sehen erschreckend hohe Armut auf den Straßen und gleichzeitig Menschen, die trotz harter Arbeit am Monatsende nicht genug verdienen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Diese Beispiele bedrohen den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf sehr konkrete Weise. Bürgerschaftliches Engagement spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, in dem sie direkte Unterstützung anbietet, wie z.B. die Tafel es tut. Es ist mir jedoch wichtig zu betonen, dass die Zivilgesellschaft nicht die Daseinsvorsorge sicherstellen kann. Das ist Aufgabe des Staates.

Zudem ist es wichtig, dass wir im kontinuierlichen Austausch stehen, um unsere Demokratie zu schützen. Insbesondere der Dialog mit politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern muss regelmäßig stattfinden. Als Landesnetzwerk setzen wir uns jeden Tag dafür ein, diesen Austausch zu fördern und zu stärken.

„Demokratie muss man nicht nur verteidigen, sondern stetig weiterentwickeln und mit Leben füllen. Und da kommt Zusammenhalt und Engagement ins Spiel.“

Du bist seit einem Jahr Geschäftsführerin des Landesnetzwerks Bürgerengagement Berlin e.V. Kannst du ein erfolgreiches Beispiel aus dem letzten Jahr nennen, das besonders zur Stärkung von Demokratie und Zusammenhalt beigetragen hat?

Natürlich zahlt alles, was wir tun, darauf ein. Aber ein großes Highlight war für mich die 1. Berliner Engagementkonferenz, die wir im Dezember 2023 veranstaltet haben. Unser Ziel war es, Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammenzubringen – und das ist uns gelungen. Da waren Menschen aus der Politik, aus der Verwaltung, aus der Wirtschaft und natürlich viele aus der Zivilgesellschaft. Ganz normale Menschen, die sich engagieren und etwas zum Positiven verändern möchten. Ich hatte das Gefühl, dass alle wirklich miteinander geredet haben und die Themen auch nachhaltig zum Weiterdenken angeregt haben. Das war toll.

Zudem wird mir jeden Tag deutlicher, wie wichtig es ist, hauptamtliche Strukturen zu haben, die das Ehrenamt unterstützen. Als Hauptamtliche hat man den Vorteil, kontinuierlich an Themen arbeiten zu können. Ehrenamtlich Engagierte sind oft zeitlich eingeschränkt und können diese Kontinuität nicht immer gewährleisten, auch wenn sie es gerne wollen. Daher empfinde ich unsere Arbeit in der Koordinationsstelle als ein beständiges Highlight, da sie mir die Möglichkeit bietet, kontinuierlich und intensiv an unseren Projekten zu arbeiten.

Du hast die Engagementkonferenz erwähnt. Auch in diesem Jahr steht wieder eine Konferenz an. Kannst du uns schon einen kleinen Einblick geben, worauf wir uns diesmal freuen dürfen?

Die Engagementkonferenz wird in diesem Jahr eine etwas andere Ausrichtung haben. Während wir uns im vergangenen Jahr hauptsächlich an ein Fachpublikum gerichtet haben, möchten wir dieses Mal die Menschen in den Vordergrund stellen, die bisher nicht ausreichend sichtbar, vertreten oder gehört wurden. Das sind unter anderem Menschen mit beeinträchtigenden Erfahrungen, Personen, die sich nicht in das binäre System von Gender und Sexualität einfügen können oder wollen, ältere Menschen sowie geflüchtete Menschen. Wir wollen nicht über diese Menschen sprechen, sondern mit ihnen.

Dieses Vorhaben ist ambitioniert, und da wir auf diesem Gebiet noch wenig Erfahrung haben, werden wir sicherlich Fehler machen und es wird nicht alles reibungslos verlaufen – aber ich freue mich auf diese Herausforderung.

Du bist beruflich für das Ehrenamt engagiert, engagierst dich aber auch privat ehrenamtlich. Wie beeinflussen sich deine berufliche Tätigkeit und dein privates Engagement gegenseitig?

Das beeinflusst sich sehr und erzeugt eine positive Wechselwirkung. Oft ist es schwierig zu unterscheiden, wo das Hauptamt endet und das Ehrenamt beginnt, da die Übergänge fließend sind. Viele Themen überschneiden sich, und ich bekomme aus dem Ehrenamt zahlreiche Anregungen, die ich in meine berufliche Arbeit einfließen lasse. Dabei ist es jedoch sehr wichtig, auf die eigenen Grenzen zu achten. Es kann leicht passieren, dass man so sehr damit beschäftigt ist, für andere da zu sein, dass man sich selbst aus den Augen verliert. Das ist eine Herausforderung, der ich mich immer wieder stellen muss, denn ich merke: Ehrenamt macht süchtig – im positiven Sinne! Man investiert viel, aber man erhält auch sehr viel zurück. Jedes Jahr frage ich mich aufs Neue, wenn ich nach dem Straßenfest, das ich mit einem Verein organisiere, um 2 Uhr nachts die Straße fege: Was mache ich hier eigentlich? Doch jedes Mal weiß ich, dass ich es auch im nächsten Jahr wieder tun werde.

Wir müssen selbstbewusster, mutiger und entschlossener auftreten – vor allem in den sozialen Medien. Allzu oft entsteht der Eindruck, dass antidemokratische und populistische Stimmen diese Plattformen dominieren.

Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen: Wie findet die engagierte Zivilgesellschaft mehr Gehör?

Wir müssen selbstbewusster, mutiger und entschlossener auftreten – vor allem in den sozialen Medien. Allzu oft entsteht der Eindruck, dass antidemokratische und populistische Stimmen diese Plattformen dominieren. Doch dem können wir viel entgegensetzen. Es gibt zahllose inspirierende Geschichten und Projekte, mutige Menschen, die aktiv werden und handeln. Jetzt ist der Moment, diese positiven Beispiele stärker nach außen zu tragen und den oft düsteren Nachrichten etwas Ermutigendes entgegenzustellen. Mit unserer Social Media-Kampagne wollen wir genau das machen und laden alle ein, sich zu beteiligen – lasst uns gemeinsam laut werden!

Hast du noch weitere Tipps, wie wir alle dazu beitragen können, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken?

Loslaufen und seine Mitmenschen in der analogen Welt (wieder-)entdecken. Die Digitalisierung und die Pandemie haben dazu geführt, dass wir an persönlichen Kontakten verloren haben. Fragt euch, wer die Menschen sind, die in eurem Haus oder in eurer Nachbarschaft wohnen. Was bewegt sie – und könnte es auch dich betreffen? Und was ist mit den Kindern, die oft im Hinterhof spielen und laut sind? Traut euch, auf sie zuzugehen, sie anzusprechen und zu erfahren, was sie bewegt und brauchen. Oder schenkt dem mürrischen alten Mann von Gegenüber einfach mal ein fröhliches „Hallo“. Man muss nicht gleich eine Baumscheibe gemeinsam bepflanzen.

Es ist wichtig, unsere Mitmenschen und unsere Umwelt bewusst wahrzunehmen – das sind die kleinen Bausteine, die den großen Zusammenhalt formen. Ich finde in diesem Zusammenhang den alten Spruch „think global, act local“ sehr passend. Häufig macht das, was im Kleinen passiert, im Großen den Unterschied.

„Engagiert für Demokratie und Zusammenhalt“ – Social-Media-Kampagne im September

Den gesamten September 2024 läuft unsere Social Media-Kampagne, die das Engagement für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt in den Mittelpunkt rückt. Unter dem Motto „Engagiert für Zusammenhalt und Demokratie“ und dem Hashtag #GemeinsamStark präsentieren wir inspirierende Projekte, spannende Fakten und laden euch zum Mitmachen ein.

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