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Endlich in Rente und was kommt dann?

Veröffentlicht am 05.08.2024

Eine ältere Frau sitzt allein an einem mit weißer Tischdecke bedeckten Esstisch. Sie stützt den Kopf mit einer Hand und blickt aus dem Fenster. An den Wänden hängen mehrere gerahmte Bilder.
Foto: Erich Sanaz

Viele Menschen freuen sich, wenn ihr Arbeitsleben endet. Sie haben auch diverse Pläne für die Zeit danach. Mit welchen Herausforderungen diese Umstellung einhergeht, darüber berichtet Eveline Harder. Um drohende Einsamkeit abzuwenden, engagiert sie sich auf vielfältige Weise ehrenamtlich.

von Eveline Harder, ehrenamtliche Redakteurin des Landesnetzwerks Bürgerengagement Berlin e.V.

Und plötzlich oder geplant ist der Ruhestand da. Kein Wecker klingelt früh und der Tag gehört mir. Eine ungeahnte neue Freiheit stellt sich ein. Aber wie schaffe ich mir eine Struktur? Der Freundeskreis arbeitet noch, befindet sich auf Reisen und hat keine Zeit. Die Zeitung wird wie immer früh geliefert, das Frühstück beginnt später und ich plane meine Aufgaben im Haushalt.

Nach den ersten Monaten sind alle Dinge erledigt, die man sich vorgenommen hat, und jetzt? Ich werde unsicher. Wie viel Zukunft habe ich noch? Ehrenamtliche Arbeit kann weiterhelfen. Hier bieten sich die Caritas, die Diakonie und das Unionhilfswerk an. Als Problemlöser ist auch das Sozialwerk Berlin e.V. in der Humboldtstraße 12 in Grunewald zu nennen, das mit seinen über 20 Interessenkreisen, den 14-täglichen kulturellen Veranstaltungen am Samstag und dem Erzähl-Café, das einmal im Monat stattfindet, eine Vielfalt an Möglichkeiten für den ehrenamtlichen Einsatz anbietet beziehungsweise eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Ist ein Partner noch vorhanden, werden neue Aktivitäten zusammen unternommen, Sportarten intensiviert oder neue angegangen. Die innere Zufriedenheit tritt nicht ein. Die politische Lage hat sich nach der Pandemie in Deutschland verändert, die Kriege in der Ukraine und in Israel verunsichern, machen ratlos. Die Preiserhöhungen bremsen das Wohlgefühl aus. Dazu kommen die Kostensteigerungen bei Heizung, Elektrizität und erhöhte Gebühren und Tarifsteigerungen. War das alles vorstellbar? Und dann treten die Todesfälle ein: In der Familie, im Freundes-, Bekannten- und ehemaligen Kollegenkreis. Plötzliche Stille und der erste Hauch der Einsamkeit weht heran. Hatte ich das mir so vorgestellt? Allein auf einer Parkbank sitzen und grübeln?

So war das nicht gedacht. Die Pandemie hat einen Riss in der Gesellschaft hinterlassen. Die Empathie hat sich von den Menschen verabschiedet. Die Ichbezogenheit, das Gehetztsein und das nicht mehr Zuhörenkönnen ist weit verbreitet. Wie aus dieser Spirale wieder herauskommen?

Meine Rettung war, mich in ein Karmeliter-Kloster zurückziehen zu können, und mich bei den Exerzitien auf das Innere zu konzentrieren. Hier muss wohl jeder seinen Weg finden, der zu ihm passt.

Es gibt auch im Alter Tätigkeiten, die erfüllend sind. Im sozialen Bereich, bei Besuchsdiensten der karitativen Vereine, als Lesepate oder als Mitglied eines Chores. Singen befreit, macht das Herz weit und die Seele tankt auf.

Durch meinen Telefondienst bei Silbernetz höre ich so viele Klagen über Einsamkeit. Es gehört sehr viel Mut dazu, zum Hörer zu greifen und anzurufen. Ein erster Schritt nach draußen. Es kommt kein „Prinz“ und klingelt an der Haustür, um Hilfe anzubieten. Hier ist der direkte Kontakt zum Nachbarn wichtig und überlebenswert.

Alter kann schön und gewinnbringend sein, aber dafür muss man etwas tun. Ich schließe mit den Zeilen von Mascha Kaléko „Man braucht nur eine Insel fernab im weiten Meer, man braucht nur einen Menschen, den braucht man aber sehr“.

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