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Susanna Kahlefeld zur Berliner Engagementstrategie

Veröffentlicht am 10.03.2021

Das Landesnetzwerk Bürgerengagement Berlin befragt in loser Folge Politiker:innen im Abgeordnetenhaus zur Berliner Engagementstrategie. Heute antwortet Susanna Kahlefeld, Sprecherin für Partizipation und Beteiligung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Kahlefeld, Sie haben sich im Ausschuss für bürgerschaftliches Engagement und Partizipation­ für eine Berliner Engagementstrategie eingesetzt. Wozu braucht unsere Stadt eine solche Strategie?

Foto: Barbara Dietl

Ich habe schon in der letzten Legislatur für meine Fraktion einen Antrag formuliert, in dem wir – basierend auf der Arbeit des Landesnetzwerks­ („Berliner Charta zum bürgerschaftlichen Engagement“) – eine Engagementstrategie­ für Berlin gefordert haben. Mit der nun vorliegenden Engagementstrategie­ formuliert Berlin sein Verständnis von Engagement­ und ­Engagementpolitik­ – das ist für zukünftige Entscheidungen richtungsweisend.

Ich nenne ein Beispiel, um es anschaulich zu machen, was ich meine: Von den Beteiligten aus der Bürgerschaft wurde der Begriff „Anerkennungskultur­“ kritisiert, weil er eine Hierarchie zwischen Politiker*innen­ und Politikern­, die gerne öffentlichkeitswirksam „anerkennen“ einerseits, und den Engagierten andererseits impliziert. Der Begriff wurde in der ersten öffentlichen Werkstatt energisch uminterpretiert: Politik und Verwaltung sind aufgefordert, „die eigene Rolle zu überdenken, um den Eigensinn und die Eigenständigkeit zivilgesellschaftlichen Engagements zu gewährleisten.“ In diesem Sinne bedeutet Anerkennung die Ermöglichung einer aktiven Zivilgesellschaft. Räume erhalten, Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzungsmöglichkeiten bereitstellen, Schaffung und Erhalt von Strukturen, Hauptamt finanzieren etc.  So sind auch andere Begriff mit Inhalt gefüllt worden. An diesem Verständnis muss sich zukünftig ­Engagement­-Politik­ ausrichten.

Was halten Sie für besonders gelungen an der Engagementstrategie und wo sehen Sie derzeit den größten Handlungsbedarf bei ihrer Umsetzung?

Für besonders gelungen und für besonders wichtig halte ich das gerade skizzierte Verständnis des Verhältnisses von Politik zu Engagement. Freiwilliges Engagement ist nicht nur eine soziale Stütze, nicht nur innovativ, schnell und widerständig, sondern ein wesentliches Element der demokratischen Gesellschaft. Engagement ist Demokratieförderung und in einer Demokratie können engagierte Bürger:innen von Politik fordern, dass ihre freiwillige Tätigkeit Unterstützung erfährt. Die Diskussion darüber, ob Engagement staatliche Aufgaben­ ersetzt, wie es zum Hauptamt steht und ob es einen Anspruch auf Förderung (finanziell­, strukturell …) hat, ist damit auf einen soliden Boden gestellt.

Einen zweiten Punkt halte ich ebenfalls für wichtig: In der Strategie ist jetzt die Förderung des Landesnetzwerks Bürgerengagement festgeschrieben. Das Landesnetzwerk ist seit vielen­ Jahren eine Unterstützung von Engagement, die aus der Zivilgesellschaft selbst entwickelt­ wurde. Diese passgenauen Unterstützungsangebote für die unterschiedlichen Bereiche des Engagements, die Flexibilität und der enorme Wissensspeicher über Engagement­ sollen zukünftig besser gefördert werden.

Handlungsbedarf sehe ich im Bereich Digitalisierung: Digitalisierung bedeutet ja nicht nur die Bereitstellung von Endgeräten und die Weiterbildung zur Anwendung verschiedener Tools, sondern sie ist ein kollektiver Lernprozesses. Erleben, was digital alles möglich ist, wo Digitalisierung die Arbeit unterstützt oder gar erst ermöglicht, wo aber auch die Grenzen digitaler Tools sind (angefangen beim Datenschutz bis hin zur neuen Wertschätzung von persönlichen Begegnungen und dem Erleben von Kreativität im tatsächlichen, räumlichen Zusammensein). Dieser Lernprozess wird noch lange und auch nach Corona anhalten. Ihn zu begleiten ist wesentlich für das Gelingen der digitalen Transformation.

In der Strategie wird empfohlen, das Landesnetzwerk Bürgerengagement Berlin zu fördern. Wie sollte Ihrer Meinung nach ein solche Förderung aussehen?

Wir werden uns für die Bereitstellung von Mitteln einsetzen. Über die Höhe kann ich jetzt noch nichts sagen. Was wirklich möglich sein wird, ist Teil der Haushaltsverhandlungen und auch abhängig von der Haushaltslage unter Corona.

Wie schätzen Sie die Bedeutung des Landesnetzwerks Bürgerengagement für die Aktivierung der Zivilgesellschaft und für die Stärkung der Demokratie ein?

Das Landesnetzwerk Bürgerengagement hat kontinuierlich und über Jahre hinweg in Berlin Engagement gefördert: Durch konkrete Unterstützung, aber auch durch die bundesweite Netzwerkarbeit und die stetige Reflexion auf Engagement und seine Bedeutung für die demokratische Gesellschaft. Die Runden Tische, die Grundlagentexte („Berliner Charta“ von 2004, „Zukunft der Berliner Engagementlandschaft“ etc.), die diversitätsoffene Entwicklung im Netzwerk selber – das alles ist unverzichtbar und Politik tut gut daran, in Kooperation zu gehen.

Berlin ist Europäische Freiwilligenhauptstadt 2021. Was sollte Ihrer Meinung nach in diesem Jahr geschehen, um diesem Titel gerecht zu werden?

Alles Wichtige ist in der Engagementstrategie formuliert. Jetzt geht es an die Umsetzung. Von diesem Jahr als Freiwilligenhauptstadt erhoffe ich mir eine Ermutigung für die vielen Engagierten in der Corona-Krise. Aufmunterung durch die geplanten Veranstaltungen, etwas­, was das Jahr erfreulicher macht. Das wäre wichtig – und ich denke, genauso wird es auch. Der Innovationswettbewerb läuft noch, die Aktionsfelder sind gut gewählt. Das alles hilft beim „Überstehen“ der vielen Corona-Einschränkungen.

In welchen Bereichen engagieren Sie sich selbst bürgerschaftlich?

Ich habe mein Engagement radikal zurückgefahren, als ich ins Abgeordnetenhaus gewählt wurde. Das ist mir nicht leichtgefallen, denn vorher war ich nicht nur für die Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung Neuköllns (dass auch das ein Ehrenamt ist, vergisst man oft), sondern in mehreren Vereinen und Initiativen. Ich fand, wenn man sein Geld mit Politik verdient, sollte man sich im Engagement in die zweite oder dritte Reihe zurückziehen, weil die Parteizugehörigkeit dann zu dominant wahrgenommen wird. Derzeit bin ich im Vorstand­ von zwei Vereinen, und zwar Solwodi und im Bündnis Neukölln, das auch in diesem Jahr wieder das Festival „Offenes Neukölln“ veranstalten wird.

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LANDESNETZERK BÜRGERENGAGEMENT BERLIN – Interview von Helmut Herold
zuletzt überarbeitet 10.03.2021

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